Geschichte

Die "hochfürstliche öffentliche Bibliothek“ (Schlossbibliothek)

Markgraf Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach (reg. 1703 – 1723) rief die erste öffentliche Bibliothek in der Residenzstadt ins Leben. Durch Dekret vom 21. Dezember 1720 erklärte er die bisherige fürstliche Hausbibliothek zur öffentlichen Landesbibliothek, bestätigt durch ein hochfürstliches Ausschreiben vom 14. Juli 1721.

Den Grundstock dieser Hausbibliothek, die zunächst der markgräflichen Familie und dem Hofstaat zur Belehrung und Unterhaltung diente, hatte bereits Markgraf Georg Friedrich der Ältere im 16. Jahrhundert gelegt, wie viele Schweinslederbände mit den Supralibros “GF MZB“ bekunden. Theologische Werke, lateinische Klassiker und Chroniken zeugten von seinen Spezialinteressen. Seine Nachfolger bevorzugten neben der Theologie historische und geographische Bücher sowie Werke der Kriegs- und Festungsbaukunst. Ein breites Spektrum aller Wissensgebiete zeigte sich dagegen erst in der Bibliothek des Markgrafen Johann Friedrich (reg. 1667 – 1686). Seine universelle Büchersammlung umfasste 1832 Werke in deutschen, französischen und italienischen Ausgaben. Belletristik ist dabei erstmals breit vertreten, selbst verfasste er ebenfalls Romane.

Für die ab 1721 nunmehr öffentliche Schlossbibliothek hatte jeder fürstliche Beamte oder Diener bei Antritt eines neuen Amtes einen nach Rang genau gestuften Beitrag zu leisten. So musste ein Minister, Geheimer Rat oder Oberhofmarschall 8 fl. (Florin) in die Bibliotheks-kasse geben, ein Obrist, Forstmeister, Oberamtsmann oder Kollegialrat 6 fl., ein Rittmeister, Kammerjunker oder Hofmedikus 4 fl., ein Dekan, Hofjunker, Sekretär oder Rektor 3 fl., und ein Pfarrer, Kanzlist oder Kammerdiener 2 fl. Zuwachs erhielt die Bibliothek außerdem durch Ankäufe von Buchführern (=Buchhändlern) und aus namhaften Privatbibliotheken. Große Bereicherung erfuhr sie 1730 durch die umfangreiche und kostbare Bibliothek der früh verstorbenen Markgräfin und Landesregentin Christiane Charlotte (reg. 1723 – 1729). 1733 wurde die Konsistorialbibliothek der Schlossbibliothek einverleibt.

1738 erließ Markgraf Carl Wilhelm Friedrich, der sogen. „Wilde Markgraf“ (reg. 1729 – 1757), einen Fundationsbrief, durch den die fürstliche Büchersammlung zusammen mit dem angegliederten Münzkabinett zu einer öffentlichen fideikommissarischen Anstalt des Hauses Brandenburg-Ansbach erklärt wurde: Die Hochfürstliche Bibliothek sollte „niemals geteilet“ werden und „eine ständige Zierde Ansbachs“ bilden zum Nutzen Einheimischer und Fremder, Lehrender und Lernender. Privilegierte Benützer waren die Mitglieder der fürstlichen Kollegien, des Hochfürstlichen Geheimen Archivs und die studierende Jugend des Gymnasiums Carolinum, des zweitältesten staatlichen Gymnasiums in Bayern. Seit 1729 leitete der nachmals als Historiker und Leiter des Hochfürstlichen Geheimen Archivs bekannte Johann Sigmund Strebel die Einrichtung, der zum Geheimrat aufstieg. Er machte sich um die Katalogisierung der Bestände zusammen mit dem zweiten Bibliothekar Gottlieb Paul Christ sehr verdient. Mit der wachsenden Bedeutung der Schlossbibliothek kam 1765 ein dritter Bibliothekar hinzu, der auch als Münzinspektor die umfangreiche, 1735 mit den Bücherschätzen vereinte Münzsammlung zu betreuen hatte: der Theologe und Numismatiker Johann Jakob Spieß, bekannt als Verfasser der „Brandenburgischen historischen Münzbelustigungen“ (erschienen von 1768 – 1772). Weitere Bibliothekare wurden angestellt, so 1774 J. A. Ludwig Wetzel, der zugleich als Hofkammerrat und Pagenhofmeister fungierte. Er verfügte über ausgezeichnete Kunstkenntnisse. Auf seine Fürsprache kamen wertvolle Kunstschätze des Schlosses in die Räume der Bibliothek und des Münzkabinetts.

Alle Betreuer der Bibliothek hatten keine eigentliche bibliothekarische Vorbildung. Sie waren Rechts- und Staatswissenschaftler, Philologen oder Theologen von großer Vielseitigkeit.

Untergebracht war die Hochfürstliche Bibliothek zunächst noch im Residenzschloss. Wegen erhöhter Feuergefahr infolge der vielen Festlichkeiten und Baumaßnahmen wurde sie 1726 in den dritten Stock des alten Marschalkhauses (heute Stadtsparkasse) verlegt. Bei der ständig wachsenden Büchermenge herrschte dort bald große Raumnot. So wurde 1745 die Bibliothek wieder in das zwischenzeitlich von Leopoldo Retty ausgebaute Schloss zurückverlegt. Sie erhielt im 3. Stock einen repräsentativen Bibliothekssaal und zwei Nebenräume. In einem anschließenden Raum wurde das Münz – und Medaillenkabinett, ergänzt um eine Sammlung von Kunstgegenständen, Bronze- und Marmorstatuen, kostbaren Vasen und Erdgloben, untergebracht. Damals hatten diese Sammlungen auch der fürstlichen Reputation zu dienen und standen Interessierten zum „Perlustrieren“ offen.

Dank einer klugen Erwerbungspolitik, vieler Ankäufe und zahlreicher Schenkungen seitens der letzten beiden Fürsten zählte die Schlossbibliothek am Ende der Markgrafenzeit (1791) über 20.000 Bände.

Nicht in die Schlossbibliothek gelangte hingegen die nach Umfang und Bedeutung größte Privatbibliothek Ansbachs, die des markgräflichen Obristbaudirektors und nachmaligen Geheimrats und Ministers Carl Friedrich von Zocha (1683 – 1749), mit etwa 14.500 Bänden. Der vermögende, weitgereiste, bildungshungrige und bücherbesessene Architekt und Jurist, hatte sich in späten Jahren in hohe Schulden gestürzt. Als er 1749 starb, musste u.a. seine reichhaltige, meist kostbar in Leder gebundene Büchersammlung versteigert werden und wurde in alle Winde verstreut: Nichts zeugt mehr von der leidenschaftlichen Bücherliebe einer großen Persönlichkeit, die mit dem Bauwesen der Stadt (Residenzschloss, Orangerie, Gesandtenhaus) eng verbunden ist.

Das „edle Kleinod“ und die „Zierde Ansbachs“ erlitt allerdings infolge der Abdankung des Markgrafen Karl Alexander (1757 – 1791) und dem Übergang der zollerischen Fürstentümer an Preußen 1791 gewaltige Einbussen. Mit der von der preußischen Regierung befohlenen Abführung des größeren und wertvolleren Teils der Schlossbibliothek 1805 und 1806 an die Universitätsbibliothek Erlangen begann ein Niedergang ohnegleichen: 12.400 Bände, darunter 151 Prachthandschriften des 9. bis 15. Jahrhundert, 471 Wiegendrucke, 47 Bände mit Land-karten und 85 Kunstwerke mit 20 Bänden Handzeichnungen, Holzschnitten und Kupfer-stichen erster Meister (darunter das berühmte Selbstbildnis Albrecht Dürers von 1492) wurden eilig in Kisten verpackt und nach Erlangen abtransportiert. Zurück blieb ein trauriger Restbestand von ca. 7000 Bänden, der in den ersten Jahrzehnten unter bayerischer Regierung (ab 1806) mangels Mitteln kaum vermehrt werden konnte. 

Bereits 1796 hatte der preußische König außerdem die Ablieferung des kostbaren Münz-kabinetts an das königliche Münzkabinett nach Berlin verfügt. Die in sechs prachtvollen Intarsienschränken verwahrte Münz- und Medaillensammlung mit insgesamt 7.540 Exemplaren (darunter 4.163 antike Münzen) sowie eine zugehörige Spezialbibliothek mit seltenen numismatischen Werken musste der Münzinspektor, Hofrat Wetzel, im Winter 1796/97 verpacken und in eigener Person mittels Frachtwagen im Januar 1797 nach Berlin bringen. Sie wurde in dort vorhandene Bestände integriert.

Die Regierungsbibliothek

Die solchermassen ‚verstümmelte‘ Schlossbibliothek erhielt 1824 durch die sogenannten Literalien des Rezatkreises (Gesetzbücher, Kommentare, Amtsblätter) Zuwachs. Sie wurde dadurch zur Geschäftsbibliothek der Regierung und hieß seitdem Regierungsbibliothek. Eine beträchtliche Vermehrung wuchs ihr 1865 durch die an fränkischem Heimatschrifttum und historischen Quellenwerken zur Reichs- und Landesgeschichte reiche Bibliothek des 1830 gegründeten Historischen Vereins für Mittelfranken zu. Diese Kooperation dauert nach wie vor an

Trotz solcher Mehrungen gelang es nicht, die gewaltigen Lücken auch nur einigermaßen zu schließen, da lange Zeit keine eigenen Mittel zur Verfügung standen. Von planmäßiger Akzession konnte keine Rede sein. Das Katalogwesen lag darnieder. Ein 1913 gedruckter Katalog der Regierungsbibliothek erwies sich als mangelhaft. Hauptamtliche Bibliothekare gab es nicht mehr. Kanzleibeamte der Regierung betreuten die Bibliothek nebenbei, unter-stützt von Gymnasialprofessoren oder Juristen des Historischen Vereins, der in einem Bibliotheksraum sein Geschäftszimmer hatte. Erstes Anzeichen einer Besserung der Verhältnisse war 1946 die Anstellung einer Diplombibliothekarin.

Die Staatliche Bibliothek Ansbach

1959 wurde die Regierungsbibliothek der Generaldirektion der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken unterstellt (im Jahr 2000 aufgelöst und der Bayerischen Staatsbibliothek eingegliedert) und in den Staatshaushalt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus aufgenommen. Seitdem verfügt sie über einen ordentlichen Etat und ist nicht mehr – wie vordem – auf Zuschüsse angewiesen.

Im Mai 1972 wurden im 2. Stock des Schlosses neue Räume bezogen. Dies war jedoch nur ein interimistischer Aufenthalt, denn bereits im Mai 1988 erfolgte der Einzug der Staatlichen Bibliothek in das zweckmäßig umgebaute ehemalige Markgrafentheater, das im 18. Jahr-hundert als Reithalle gedient und bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Lichtspieltheater fungiert hatte.

Die offizielle Einweihung des neuen Domizils fand am 6. Juni 1988 mit einem Festakt in der Orangerie und einer Ansprache des damaligen bayerischen Kultusministers Hans Zehetmair statt. Der geräumige Lesesaal mit umlaufender Galerie, einer umfangreichen Handbibliothek mit Nachschlagewerken aus allen Wissensgebieten, wesentlichen Neuerscheinungen sowie einer Auslage von Zeitschriften und Tageszeitungen, den Sitznischen zum Flüsschen Rezat, Dachgauben und Arbeitsplätzen am großen Lesetisch inmitten des Saales lädt ein zu intensiver Lektüre in ruhiger Atmosphäre. Als einziger Kunstgegenstand aus den ehemaligen Sammlungen der Fürsten ist eine Voltaire-Büste in der Bibliothek verblieben, ein Geschenk des letzten Markgrafen Karl Alexander an seine Schlossbibliothek.

Die Staatliche Bibliothek mit inzwischen über 140.000 Medien versteht sich als Regionalbibliothek mit Literatur des gehobenen Bedarfs. Sie steht zwischen den Universitätsbibliotheken (mit hochspezialisierter Literatur) und den Stadt- und Gemeindebüchereien. Sie ist wie alle anderen Staatlichen Bibliotheken Bayerns aktuell dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst in München unterstellt.

Quellen

Schuhmann, Günther: Ansbacher Bibliotheken vom Mittelalter bis 1806. Kallmünz: Verlag Lassleben, 1961

1250 Jahre Ansbach: Aufsätze zur Stadtgeschichte, hrsg. Von der Stadt Ansbach. Hercynia, 1998

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